Carbon Drawdown Initiative

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Wir stellen vor: „Project Carbdown“ -- Unser erster Feldversuch mit “beschleunigter Verwitterung” zum Einfangen von CO₂ aus der Umgebungsluft

90% Islands bestehen aus Basalt, einem Gestein, das sehr gut für beschleunigte Verwitterung geeignet ist (Foto: Dirk Paessler).

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Durch die Verwitterung von Gestein wird CO₂ aus der Luft permanent gebunden und so der Atmosphäre entzogen. Können wir damit etwas gegen den Klimawandel tun? Seit einigen Monaten bereiten wir zusammen mit einigen Wissenschaftlern und unserem Partner Fieldcode ein wissenschaftliches Projekt vor, bei dem wir Gesteinsverwitterung beschleunigen und vermessen wollen, um möglicherweise damit den Werkzeugkasten des Klimaschutzes zu erweitern.

Heute stellen wir also vor: Project Carbdown.

Einleitung

Um die weltweiten Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels zu unterstützen, brauchen wir eine ganze Reihe von Lösungen. Alle zusammen müssen global soweit skaliert werden können, dass wir zwischen 2030 und 2040 jährlich 10 Gigatonnen CO₂ aus der Umgebungsluft holen können (basierend auf Berechnungen im SR15 des IPCC). Wir glauben, dass die “beschleunigte Verwitterung” eine der wichtigen Lösungen zur Kohlenstoff-Entfernung sein wird. In unserem Blogpost „Lasst uns etwas mit beschleunigter Verwitterung machen“ beschreiben wir unsere Gründe für die Fokussierung auf Verwitterung und in unserem Interview mit Professor Jelle Bijma erklärt er, warum er glaubt, dass nur “natur”-basierte Lösungen diesen Job überhaupt werden übernehmen können.

In den letzten Wochen haben wir - zusammen mit Experten aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen - einen Plan für ein Feldprojekt entworfen, das wir 2021 starten wollen.

Was brauchen wir, um den Klimawandel zu stoppen?

Um den Klimawandel auf eine maximale Erwärmung von 2° oder gar 1,5° Celsius zu begrenzen müssen wir Emissionen reduzieren,  die Emission von neuem CO₂ einstellen und außerdem CO₂ aus der Atmosphäre entfernen. Dies wird als Carbon Dioxide Removal (CDR, dt. “Kohlendioxid-Entfernung”) bezeichnet. CDR-Technologien, die für dieses Unterfangen geeignet sind, müssen unter anderem drei Hauptkriterien erfüllen:

  • Skalierbarkeit: Die Technologie muss auf Megatonnen CO₂-Entfernung pro Jahr skalierbar sein.

  • Geschwindigkeit: Die CO₂-Entfernung muss über nur wenige Jahre und nicht über Jahrzehnte oder Jahrhunderte erfolgen.

  • Dauerhaftigkeit: Der gesammelte Kohlenstoff muss sicher und dauerhaft gespeichert werden.

Auch die Kosten, die Nutzung von Land und Energie, sowie die möglichen anderen Nebeneffekte müssen berücksichtigt und so weit wie möglich begrenzt werden. 

CDR mit “beschleunigter Verwitterung” scheint all diese Kriterien zu erfüllen! Schauen wir uns das mal an: 

Unsere Idee

Die Grundidee von Project Carbdown besteht darin, Gesteinspulver zusammen mit Biokohle auf landwirtschaftlichen Feldern zu verteilen, um CO₂ durch einen Prozess namens „beschleunigte Verwitterung“ aus der Atmosphäre zu entfernen und den Landwirten ein zusätzliches Einkommen aus CO₂-Zertifikaten zu verschaffen.

Glücklicherweise hat dieses Verfahren auch andere Vorteile: Wir erwarten, dass sich die Ernteerträge für die Landwirte verbessern (durch Verbesserung des pH-Werts des Bodens und durch die Nährstoffe aus dem Gestein, die damit teilweise Dünger und Kalk ersetzen).

Am Ende sollte ein Landwirt in der Lage sein, ein zusätzliches Einkommen von mehreren hundert Euro pro Jahr und Hektar Ackerland zu erzielen und gleichzeitig den Klimawandel zu bekämpfen (wir erwarten in einigen Jahren einen CO₂-Preis von 100 € / Tonne).

Angesichts der enormen Flächen des auf unserem Planeten genutzten Ackerlandes hat dieses Konzept das Potential in Zukunft global auf Megatonnen und sogar Gigatonnen von eingefangenem CO₂ skaliert zu werden.

Wie funktioniert das?

Wenn bestimmte Gesteine ​​wie Basalt oder Dunit (~ 90% Olivin) der Umgebungsluft ausgesetzt sind, beginnt ihre Oberfläche chemisch mit dem CO₂ in der Luft zu reagieren. Dabei reagieren die Mineralien, aus denen diese Gesteine ​​bestehen, mit CO₂ und Wasser unter Bildung harmloser Carbonate. Diese gelösten Reaktionsprodukte verbleiben entweder im Boden oder werden über Flüsse weggespült und gelangen schließlich in die Meere, wo sie zur Verbesserung der Alkalität des Ozeans beitragen. Dies kann dazu beitragen, der Versauerung der Ozeane entgegenzuwirken - eine beunruhigende Nebenwirkung des Klimawandels. Dort verwenden Tiere wie z.B. Korallen das Carbonat für ihre Skelette und am Ende fällt es als Sediment auf den Meeresboden. Die CO₂-Entfernung ist dauerhaft, da das CO₂ in geologischen Formationen wie den Dolomiten in den italienischen Alpen eingeschlossen bleibt.

Mineralische Verwitterung ist der natürliche langfristige Mechanismus zur Entfernung von Kohlenstoff auf der Erde, der normalerweise Hunderte von Millionen von Jahren dauert. Jedes Jahr wird so auf natürliche Weise etwa 1 Gigatonnen CO₂ aus der Atmosphäre entfernt. Aber wir Menschen fügen unserer Atmosphäre jedes Jahr 40 Gigatonnen hinzu, also ist dies bei weitem nicht genug. Durch die bewusste Auswahl der optimalen Mineralien und die Verwendung in der Landwirtschaft können wir die Verwitterungsrate beschleunigen, sodass sie in menschlichen Zeitdimensionen für CDR relevant wird. Eine Tonne Gestein kann je nach Gesteinsart und anderen Parametern zwischen 0,1 und 1 Tonne CO₂ entfernen. Angesichts der großen Landflächen, die derzeit weltweit bewirtschaftet werden, glauben wir, dass die beschleunigte Verwitterung in der Landwirtschaft ein ideales und bisher ungenutztes Instrument mit einem enormen Potenzial zur Bekämpfung des Klimawandels ist.

Was sind die Probleme und unsere Lösungen?

Es gibt fünf Probleme:

  • Problem 1: Der natürliche Verwitterungsprozess ist aufgrund der begrenzten Gesteinsoberfläche langsam, die für die Reaktion mit atmosphärischem CO₂ zur Verfügung steht. 

    • Die Lösung für dieses erste Problem besteht darin, die Gesteine zu kleinen Partikeln (Sandkorngröße oder Pulver) zu zermahlen: Dadurch wird die Oberfläche zwischen den reaktiven Mineralien und der Umgebungsluft und damit dem CO₂ massiv vergrößert, was den Verwitterungsprozess im Vergleich zum natürlichen geologischen Prozess erheblich beschleunigt. 

  • Problem 2: Nur ein winziger Teil der Umgebungsluft ist CO₂ (0,04%), was ebenfalls die Geschwindigkeit des Verwitterungsprozesses begrenzt.

    • Das zweite Problem löst man, indem man das Gesteinsmehl mit Ackerboden mischt. Dies beschleunigt den CO₂-Entfernungsprozess erheblich, da im Boden viel mehr CO₂  als in der Luft vorhanden ist (normalerweise zehn- bis hundertmal mehr aufgrund von Pflanzen, Wurzeln, Bakterien usw.). 

    • CO₂ in der Umgebungsluft: 415 ppm; CO₂ im Boden: zwischen 400 und 40.000 ppm

  • Problem 3: Es werden große Landflächen benötigt, um große Mengen an CO₂ zu entfernen.

    • Das dritte Problem löst man, indem man Ackerland für die beschleunigte Verwitterung nutzt, auf dem auch weiterhin landwirtschaftlicher Anbau erfolgt. Somit vermeidet man die Konkurrenz um Landnutzung.

  • Problem 4: Damit die Landwirte für die CDR-Arbeit auf ihrem Ackerland bezahlt werden können, muss man die Menge des eingefangenen CO₂ messen können. Die dafür nötigen Messverfahren existieren aber noch nicht.

    • Wir glauben, dass die Lösung für dieses Problem ein intelligentes Überwachungskonzept ist, dass man auf den für CDR verwendeten Felder einrichtet. Unser Ziel ist es, hierzu die Wissenschaft zu fördern und schnelle Fortschritte bei der Entwicklung einer robusten Mess-Methode zur Bestimmung der CO₂ Entfernung zu machen und damit letztendlich die Lösung dieses CO₂-Bilanzierungsproblems zu erreichen.

  • Problem 5: Bisher hat noch (fast) niemand ein ähnliches Projekt auf landwirtschaftlichen Flächen in der Praxis und im großen Maßstab umgesetzt. Obwohl es Hunderte von wissenschaftlichen Studien zur beschleunigten Verwitterung gibt, wurden bisher nur sehr wenige Experimente mit Ackerland durchgeführt. Der Hauptgrund dafür ist, dass es bisher so gut wie keine Finanzierung der wissenschaftlichen Arbeit dafür gab.

    • Unser Ziel ist es, die wissenschaftliche Arbeit zu beschleunigen, sodass Experimente und Feldarbeiten umgehend ermöglicht werden, ohne auf normalerweise langsame öffentliche Finanzierungsprozesse zu warten.

In unseren Experimenten werden wir natürlich allen EU / deutschen Vorschriften für Ackerland entsprechen. Wir hoffen zeigen zu können, dass mit diesem Konzept dauerhaft (d. H. in menschlichen Zeitdimensionen) erhebliche Mengen an CO₂ auf belegbare Weise aus der Atmosphäre entfernt werden können, ohne dabei massive Nachteile zu verursachen (z. B. Verringerung des Ernteertrags oder Freisetzung von Toxinen). Wenn dies nachgewiesen wird, könnte die beschleunigte Verwitterung in der Landwirtschaft zur Entfernung von Kohlendioxid als eine gemeinsame Politik gegen den Klimawandel für die Länder weltweit angesehen werden.

Die praktische Umsetzung

Was werden wir also 2021 und 2022 tun? Wir werden verschiedene Arten und Formen von Gesteinsstaub auf Ackerland verteilen, bevor gepflanzt / ausgesät wird. Im Laufe des Jahres werden wir verschiedene Mess-Parameter (u.a. Boden, Chemie, Wetter, Ernte-Ertrag) automatisiert und manuell aufzeichnen.

Parallel dazu werden wir Laborexperimente mit denselben Materialien und ähnlichen Aufbauten sowie Topfversuche in einem Gewächshaus durchführen, damit wir später die Ergebnisse vom Feld mit denen aus dem Labor / Gewächshaus vergleichen können, wo wir mehr Kontrolle über die Umgebungsparameter haben.

Schritt 1: Standorte und Materialien

Wir planen drei Felder zu verwenden, zwei in Deutschland und eines in Griechenland. Wir werden dabei Basalt und Dunit verwenden, beides recht häufige Gesteine, kombiniert mit Biokohle.

Schritt 2: Das Ackerland vorbereiten

Kurz vor der Vegetationssaison werden wir mit einem Traktor und Grubber 90 m lange Feldabschnitte mit einer Breite von jeweils 3 m vorbereiten und markieren dabei 12 m lange Parzellen. Dann werden wir verschiedene Kombinationen von Basalt, Olivin und Biokohle auf den zufällig ausgewählten Parzellen verteilen, wobei einige Parzellen als Referenz unberührt bleiben werden. Nach dem Verteilen des Gesteinsmehls geht der Grubber erneut über die Parzellen, um es ​​in die obere Kruste des Bodens zu mischen.

Auf unseren Parzellen werden wir 4 kg Gestein pro m², entsprechend 40 Tonnen pro Hektar, plus 0,2 kg Biokohle pro m² verteilen. Die theoretische Menge an gesammeltem CO₂ liegt damit zwischen 4 und 40 Tonnen pro Hektar. Die Frage, die wir beantworten wollen, ist nur, wie lange es dauert. 

Anschließend wird die übliche Ernte gepflanzt / ausgesät (z. B. Mais, Baumwolle, Elefantengras) und wir werden verschiedene Messgeräte in die Parzellen einbauen, darunter Sensoren für pH-Wert, Alkalinität, Feuchtigkeit, Temperatur, Leitfähigkeit usw. sowie Lysimeter für Wasserproben.

Schritt 3: Warten und überwachen

Jetzt warten wir und sehen zu, wie die Ernte wächst. Bei sehr geringem Niederschlag bewässern wir die Parzellen (Verwitterungsreaktionen erfordern Wasser). Die automatisierten Messsysteme werden Messungen  liefern, z.B. Temperatur, Feuchtigkeit, Leitfähigkeit, pH-Wert und andere Messwerte. Zusätzlich werden in regelmäßigen Abständen Wasserproben gesammelt und im Labor analysiert, um eventuelle Nebenwirkungen zu überwachen.  

Schritt 4: Ernten und messen

Im Herbst werden wir die Ernte einbringen und vermessen. Außerdem werden wir Boden-Metriken für jede Parzelle bestimmen. Pflanzen und Boden werden auch auf Spuren von Giftstoffen untersucht und wir bestimmen die verbesserte Kohlenstoffaufnahme aufgrund der erwarteten Bodenverbesserungen.

Schritt 5: Analyse und Bericht

Bis zum Ende des Jahres werden wir einen ersten Bericht mit einer Vorschau auf unsere Ergebnisse veröffentlichen. Außerdem wollen wir bereits das ganze Jahr über bemerkenswerte Ergebnisse veröffentlichen, um die Öffentlichkeit zu informieren und andere für dieses Projekt zu gewinnen.

Unsere Ziele

Für 2021

Ende 2021 wollen wir feststellen können, wie viel CO₂ in einem Jahr pro m² aus der Atmosphäre entfernt wurde. Wir wollen mögliche Nebenwirkungen bewerten können und mit einem Konzept für ein vereinfachtes Messkonzept für die CO₂-Entfernung weiter kommen (welche Metriken funktionieren gut?), um dann diese Ergebnisse in 2022 erneut zu testen.

Unterstützung für die für 2050 anvisierte CO₂-Neutralität Deutschlands

Ein durchschnittlicher Deutscher verursacht 10 Tonnen CO₂ pro Jahr an Emissionen. Es gibt fast 17 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland. Nach unseren ersten Berechnungen könnte- wenn jeder Landwirt in Deutschland diese Praxis anwenden würde- mehr als 80% der derzeitigen deutschen CO₂-Emissionen eingefangen werden (83 Mio. Deutsche x 10 Tonnen = 830 Megatonnen, 17 Mio. ha x 40 Tonnen = 680 Megatonnen). Damit könnte die beschleunigte Verwitterung ein wesentlicher Baustein für das deutsche Versprechen der CO2-Neutralität für 2050 und danach für negative Emissionen werden.

FAQ

  • Wird es genug von den passenden Gesteinen ​​geben, um dieses Konzept in Megatonnen- und Gigatonnen-Dimensionen zu skalieren?

    • Ja, es gibt weitaus genug davon.

  • Können wir überhaupt genug Gestein abbauen und zerkleinern, um das Klima zu verbessern?

    • Ja. Nach Szenarien des IPCC müssen im Jahr 2030 ca. 10 Gigatonnen CO₂ pro Jahr entfernt werden. Das benötigt ca. 10 Gigatonnen Gestein. Zum Vergleich: Derzeit werden jährlich 50 Gigatonnen Sand und Kies von Menschen auf dem ganzen Planeten bewegt, plus Kohle, Erze, Öl usw. 

  • Der Abbau und das Mahlen der Gesteine ​​erfordern Energie. Sind wir sicher, dass unser Ansatz nicht mehr CO₂-Emissionen verursacht, als wir einsammeln können?

    • Es gibt mehrere wissenschaftliche Studien, die dies berechnet haben, und sie kommen alle zu dem Schluss, dass das Verfahren ausreichend CO₂-negativ ist, selbst wenn fossile Energie verwendet werden würde. Natürlich sollten vorzugsweise erneuerbare Energien für Bergbau, Transport und Mahlen verwendet werden. In jedem Fall wird das Projekt dies über eine Lebenszyklusanalyse überwachen. 

Beteiligte (in alphabetischer Reihenfolge)

  • Prof. Dr. Jelle Bijma (Alfred-Wegener-Institut, Deutschland). 

  • Dr. Mathilde Hagens (Universität Wageningen & Research, Niederlande)

  • Prof. Dr. Jens Hartmann (Universität Hamburg, Deutschland)

  • Dipl.-Ing. Dirk Paessler und Ralf Steffens (Carbon Drawdown Initiative, Deutschland)

  • Dr. Ingrid Smet (Fieldcode, Griechenland)